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Oliver Junker
Pflegefachmann in der Notaufnahme

Oliver Junker ist seit 30 Jahren Pflegefachmann am WKK. Seit 2000 arbeitet er in der Notaufnahme – genau sein Ding.

Oliver, die Notaufnahme hat es dir angetan. Wieso?

Wir haben hier wenig Routine, schnelles Reagieren ist gefragt, kein Tag gleicht dem anderen. Kommt ein neuer Patient, egal ob zu Fuß oder mit dem Rettungsdienst, muss ich sofort eine Ersteinschätzung machen: Bagatell- oder Notfall.

In meinen Anfängen hier war ich immer froh, wenn ich einen älteren Kollegen neben mir hatte. Ich fand es faszinierend, wenn er oder sie mit einem Blick festgestellt hat: Lungenembolie. Heute verstehe ich, wie das gehen kann. Wenn ich eine Erstdiagnose stelle, zum Beispiel Nierenkolik, und der Arzt sagt mir später: „Kompliment, du hattest Recht“ – bin ich immer erstaunt, weil es mir so selbstverständlich erscheint.

Der Pflegeberuf wird oft unterschätzt. Wie siehst du das?

Es gibt diese Standardphrase: „Davor habe ich großen Respekt. Ich könnte das nicht.“ Wenn ich das schon höre. Das soll eigentlich heißen: „Du hast eine bestimmte Psyche und viel Herz. Deswegen kannst du eklige Sachen machen.“ Es wird oft nicht gesehen, dass wir auch viel Denkarbeit machen, viel wissen, planen und koordinieren. Und das all das auch eine Menge Erfahrung braucht. Oft sind die Leute sogar erstaunt, dass wir eine dreijährige Ausbildung haben.

Das Wissen, das hinter unserer Arbeit steht, sieht man nicht auf den ersten Blick. Wenn ich mit einem dementen Patienten auf eine wertschätzende Weise umgehe, die ihn in seiner Welt lässt, dann höre ich manchmal: „Ach, der war so lieb und hat sich so gekümmert.“ Das kann schon sein, aber zusätzlich stehen auch Erkenntnisse aus der Forschung dahinter, entsprechend verhalte ich mich.

Wie funktioniert die Teamarbeit in der Hektik der Notaufnahme?

Zum einen muss man auch allein zurechtkommen, weil alle beschäftigt sind. Und dann findet man wieder zusammen zu einer kurzen Lagebesprechung. Wir nennen das ten for ten – ein Ausdruck aus der Luftfahrt. Bedeutet: Wir nehmen uns zehn Sekunden Zeit, um die nächsten zehn Minuten zu besprechen.

Schlaganfall, Herzinfarkt, jemand ist vom Gerüst gestürzt, Verkehrsunfall mit drei Beteiligten, eine Nierenkolik – alles auf einmal. Dann gilt: Prios richtig setzen. Es ist auch wichtig zu akzeptieren, dass nicht alles optimal laufen kann. Denn natürlich machen wir auch Fehler. Das Ziel ist, flexibel zu bleiben, die Situation kann sich alle fünf Minuten ändern.

Wie gehst du mit dem Leid um, das du hier täglich siehst?

Es gibt immer etwas, das einen berührt. Gerade wenn Kinder oder jüngere Menschen betroffen sind. So werden wir hier oft mit unserer eigenen Sterblichkeit konfrontiert. Ich habe natürlich gelernt, dass ein wenig von mir fernzuhalten. Das geht aber nicht immer.

Hast du ein Beispiel?

Einem kleinen Jungen war ein Betonmischer auf den Brustkorb gekracht und er ist gestorben. Das hat uns wochenlang beschäftigt.

Wenn sich ein Mensch vor einen Zug wirft, wird der Lokführer psychologisch betreut. Wenn wir hier Kinder sterben sehen, fängt uns niemand auf, außer wir Kollegen uns gegenseitig. Ich finde, das sollte unbedingt geändert werden.

Wie wirkt sich Druck auf die Teamarbeit aus?

Einerseits schweißt das zusammen. Manchmal werden Menschen unter Druck aber auch fahrig, sodass man sie kaum mehr bremsen kann. Ich selbst verfalle auch mal in Aktionismus; ich versuche, das zu erkennen und dann runterzufahren.

Ich habe aber den Eindruck, dass wir als Team robust sind und auch ehrlich miteinander umgehen, also auch Kritik äußern können. Dann rumpelt es kurz und es ist wieder gut.

Wie sieht der Kontakt zu den Patienten aus?

Man baut schnell eine Beziehung auf und genauso schnell ist sie wieder beendet. Aber der Kontakt kann trotzdem herzlich sein. Pflege ist auch immer Beziehungsarbeit.

In ruhigeren Momenten führe ich auch mal längere Gespräche. Ich habe mich zum Beispiel mal zwei Stunden mit einem 90 Jahre alten Herrn unterhalten, der als Kampfbomberpilot im Kessel von Stalingrad dabei war.

Warum bist du hier am Westpfalz-Klinikum?

ch habe hier so viele Möglichkeiten. Ich kann hier Anästhesie, Urologie, Intensiv und vieles mehr machen, um Erfahrung zu sammeln. Das alles in einem Haus. Der Arbeitsplatz ist sicher, der Führungsstil kooperativ. Und meine Kompetenzen wurden schon immer gewürdigt. Außerdem kann ich alle Fortbildungen machen, die mir wichtig sind. Inzwischen sogar die Fachweiterbildung für Notfallmedizin. Ich bin selbst überrascht über das Loblied, das ich hier anstimme. Aber es ist so.

Oliver, vielen Dank für das spannende Gespräch.